AGG-Irrtum #1: „AGG ist keine Pflichtschulung.“

Ist eine AGG-Schulung wirklich Pflicht? Viele Unternehmen glauben: nein. Doch wer das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unterschätzt, riskiert rechtliche und kulturelle Folgen. Warum AGG-Schulungen faktisch unverzichtbar sind, zeige ich in diesem Artikel.

„Wir schulen bei Bedarf.“

„Sexuelle Belästigung? Gibt’s bei uns nicht.“

„Das AGG schreibt doch gar keine Schulung vor, oder?“

Sätze wie diese höre ich leider immer wieder – doch sie sind rechtlich gefährlich und strategisch kurzsichtig.

Was sagt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wirklich?

Ja, das AGG nennt keine direkte „Pflichtschulung“ im klassischen Sinn.

Aber: Es verpflichtet Arbeitgeber*innen dazu, Diskriminierung aktiv zu verhindern – durch geeignete Maßnahmen.¹ Und dazu gehört insbesondere, alle Mitarbeitenden wirksam zu schulen. Denn wenn Unternehmen im Ernstfall nicht nachweisen können, dass sie präventiv geschult haben, haften sie – mitunter auch für das Fehlverhalten Einzelner.

¹AGG § 12:
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.
(2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1.

Eine Schulung schützt – auch rechtlich

Laut AGG-Fachkommentar können sich Unternehmen durch eine geeignete (also wirksame) Schulung „enthaften“.² Das bedeutet: Auch wenn das AGG keine explizite Schulungspflicht benennt, entsteht durch die Präventionspflicht faktisch eine solche Pflicht – gerade für Unternehmen, die sich zuverlässig absichern wollen.

²Schleusener / Suckow / Plum, AGG-Kommentar, 6. Auflage 2022, § 12, Rn. 13:
Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AGG erfüllt der Arbeitgeber seine Verpflichtung aus Abs. 1, wenn er seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung schult. Eine Pflicht des Arbeitgebers, die Beschäftigten in gleichbehandlungsrechtlichen Fragen zu schulen, besteht nicht. Die an Vorbilder aus dem amerikanischen Rechtskreis angelehnte Bestimmung, die keine europarechtliche Entsprechung hat, eröffnet dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer „Enthaftung durch Schulung“, indem sie eine Erfüllung der Organisationspflichten fingiert.

Warum AGG-Schulungen nicht nur rechtlich, sondern auch kulturell sinnvoll sind

AGG-Schulungen sind aber weit mehr als eine rechtliche Pflichtübung. Sie haben direkte, positive Effekte auf Unternehmenskultur, Arbeitsklima und nicht zuletzt wirtschaftlichen Erfolg. Das hat mehrere Gründe:

1. Mitarbeitende fühlen sich sicher und wertgeschätzt

Eine wirksame AGG- oder Antidiskriminierungsschulung sorgt für mehr Sicherheit im Umgang mit Gleichbehandlung und Chancengerechtigkeit und macht klar: Hier wird Respekt gelebt – nicht nur behauptet.

2. Schulung beugt Eskalationen und Imageschäden vor

Ein unbedachter Kommentar oder unbewusst diskriminierendes Verhalten kann heute schnell zum öffentlichen Thema werden – Shitstorms und Kündigungswellen inklusive. AGG-Schulungen helfen, solche Risiken zu minimieren.

3. Mehr Inklusion, Vertrauen und Zusammenhalt

Teams, die gelernt haben, Chancengerechtigkeit und Vielfalt wertzuschätzen, arbeiten besser zusammen. Sie denken kreativer, handeln souveräner und entwickeln ein echtes Gemeinschaftsgefühl, das zu besseren Ergebnissen führt.

4. Eine starke Marke – nach innen und außen

Eine klare Haltung zu Gleichbehandlung und Antidiskriminierung spricht nicht nur die eigenen Mitarbeitenden an – sondern auch Talente, Kund*innen und Investor*innen.

AGG-Schulungen als Chance für die Unternehmenskultur

Nach über 8 Jahren Erfahrung in der Schulung und Beratung zu AGG & Antidiskriminierung kann ich klar sagen: Gesetze sind das Minimum – erfolgreiche Unternehmen gehen weiter. Sie nutzen Schulungen nicht als Pflicht, sondern als Chance. Als Einstieg in eine neue Art der Unternehmenskultur. Und als Signal: Hier zählt nicht nur Leistung – sondern auch Haltung.

Wie steht es um Eure AGG-Sensibilisierung?

Schult Ihr Mitarbeitende wirksam und praxisnah?

Frischt Ihr das Wissen immer wieder auf?

Sind Eure Führungskräfte echte Vorbilder und wissen, wie sie bei Diskriminierung und sexueller Belästigung richtig reagieren?

Wenn Ihr eine oder mehrere dieser Fragen mit „nein“ beantwortet: Das ist nicht schlimm. Aber es ist ein guter Zeitpunkt, das Thema neu zu denken. Macht aus einer scheinbaren Pflicht eine echte Investition. Für Euch und Euer Unternehmen. Für ein respektvolles und erfolgreiches Miteinander.

Respektvolle Grüße
Martin Uhrig

Hinweis: Dieser Text dient der Information und ist keine Rechtsberatung.

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Martin Uhrig

ist Gründer von Respektvoll Miteinander. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt er innovative E-Learning-Lösungen zu Antidiskriminierung und respektvoller Unternehmenskultur. Als CODA (Kind gehörloser Eltern) bringt er eine besondere Perspektive mit – und setzt sich leidenschaftlich dafür ein, dass in Unternehmen alle faire Chancen erhalten und sich zugehörig und wertgeschätzt fühlen.

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